Was auch immer im amerikanischen Film gerade läuft, es gibt noch eine zweite Richtung: Die des Charlie Kaufman. Obwohl er bis dahin mehr Drehbücher verfasst hat als Filme inszeniert, muss er als Autor gelten. Charlie Kaufmans Werk ist so eigen, so originell - seine Figuren sprechen ihre ganz eigene erhabene Sprache. Seine Komödien leben von ihrem bissigen Humor, abgedrehten Slapstick und ihrem selbstbewussten Erzähl-Stil. Poesie und Träume, all das findet Einzug in die Bilderwelt des Charlie Kaufman. Ich denke, seine bisherigen Arbeiten handeln Kaufmans eigenes Leben ab - wobei der Unterschied von Film zu Film undeutlicher wird. Irgendwann werden wir nicht mehr wissen, ob privat oder erfunden. Anomalisa ist ein Midlife-Crisis Drama mit Puppen. Ursprünglich hatte Kaufman die Geschichte als Hörspiel konzipiert. Tatsächlich existiert dieses Hörspiel auch, so dass der Puppenfilm nun wie eine Fortführung wirkt. Kaufman hat ihn gemeinsam mit Duke Johnson im Stop-Motion Verfahren hergestellt. Die Puppen wirken dermassen echt, dass ich manchmal vergass, hier gar keine echten Darsteller vor mir zu haben. In anderen Puppenfilmen werden die Charaktere meistens lebendig skizziert. Schliesslich dienen sie dazu, uns zum Lachen zu bringen. In Kaufmans Film kämpfen die Puppen mit den Krankheiten des 21. Jahrhunderts: Einsamkeit, Verzweiflung und Entfremdung. Das Ganze wäre ziemlich unerträglich, hätte Kaufman nicht wie üblich auf seinen trockenen Humor zurückgegriffen. Ungewöhnlicherweise folgt Kaufman seinen Charakteren in langen Einstellungen und entwickelt sie dementsprechend sorgfältig. Die Figuren in Anomalisa, sie straucheln, sie kämpfen mit den Widrigkeiten des Lebens. Meilenweit entfernt vom Geheimnis des Glücks. Viele mögen sich so fühlen, als seien sie etwas Besonderes - nicht so Kaufmans Figuren. Sein Held Michael ist offensichtlich unglücklich mit seinem Leben, seiner Ehe, sogar seinem Kind. Im Sinne eines Plots geschieht an sich nicht viel mit ihm. Michael landet in Cincinati, mietet sich in ein Hotel ein, schreitet auf und ab, während er raucht. Er versucht eine alte Liebe auf einen Drink einzuladen, in der Hoffnung, neues Glück zu finden. Wir aber merken, dass es für sie schmerzhaft ist, mit ihm im selben Raum zu verweilen. Dann glaubt er sich während einer Konferenz zu verlieben in eine Frau mit einer Narbe im Gesicht. Sie, Lisa, ist übrigens die einzige Puppe, die mit einer eigenen Stimme spricht (Jennifer Jason Leigh), alle anderen werden von Tom Noonan synchronisiert. Lisa wäre übrigens die Rettung für Michael - jedoch haben wir ihn gut genug kennen gelernt, um zu wissen, dass er selbst das nicht merken würde. Es geschah mir übrigens etwas Erwähnenswertes, denn ich begann, meine eigenen Ängste, meine Blindheit in Verbindung zu Michael zu setzen. Michael als Identitikations-Figur. Ich denke, dass rührt daher, weil Anomalisa ein Film mit aufrichtigen Gefühlen ist. Ein zurückhaltender, fast schüchterner Film. So viel Schönheit und Trauer bietet Anomalisa, so viele wundervolle Momente - ein Film, der in einer einzigartigen Tonlage zu uns spricht. So wie die Stimme von Lisa. - Whatever's on in American film right now, there's a second direction: Charlie Kaufman's. Although he had written more scripts than films by then, he must be considered an author. Charlie Kaufman's work is so peculiar, so original - his figures speak their very own sublime language. His comedies live from her biting humor, wacky slapstick and her self-confident narrative style. Poetry and dreams, all this finds its way into the pictorial world of Charlie Kaufman. I think his previous works deal with Kaufman's own life - whereby the difference from film to film becomes less clear. Eventually we won't know if it's private or fictional. Anomalisa is a midlife crisis drama with dolls. Originally Kaufman had conceived the story as a radio play. In fact, this radio play also exists, so that the puppet film now seems like a continuation. Kaufman produced it together with Duke Johnson using the stop-motion process. The dolls look so real that sometimes I forgot to have no real actors in front of me. In other puppet movies the characters are mostly sketched alive. After all, they serve to make us laugh. In Kaufman's film, the puppets struggle with the diseases of the 21st century: loneliness, despair and alienation. The whole thing would have been quite unbearable if Kaufman hadn't resorted to his dry humour as usual. Unusually, Kaufman follows his characters in long shots and develops them accordingly carefully. The figures in Anomalisa, they stumble, they struggle with the adversities of life. Miles away from the secret of happiness. Many may feel as if they are something special - not so Kaufman's figures. His hero Michael is obviously unhappy with his life, his marriage, even his child. Not much happens to him in the sense of a plot. Michael lands in Cincinati, rents a hotel, walks up and down while smoking. He tries to invite an old love for a drink in the hope of finding new happiness. But we realize that it is painful for her to stay in the same room with him. Then during a conference he thinks he falls in love with a woman with a scar on her face. She, Lisa, is the only doll who speaks with her own voice (Jennifer Jason Leigh), all others are dubbed by Tom Noonan. Lisa would save Michael - but we got to know him well enough to know that he wouldn't even notice that. Something worth mentioning happened to me, by the way, because I began to connect my own fears, my blindness to Michael. Michael as an identity figure. I think that's because Anomalisa is a film with sincere feelings. A reserved, almost shy film. So much beauty and sadness offers Anomalisa, so many wonderful moments - a film that speaks to us in a unique pitch. Just like Lisa's voice.
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Eure letzten KommentareDie Vorwürfe, ANOMALISA würde
Die Vorwürfe, ANOMALISA würde seine Stop Motion/Animations-Technik nur missbrauchen um eine künstlerische Relevanz vorzugauckeln verfällt bei Charlie Kaufman sehr schnell. Selten ist der Einsatz dieser Puppentechnik so durchdacht und unterliegt so sehr einer künstlerischen Intention wie bei es bei ANOMALISA der Fall ist. Nicht nur kommentiert der Film seine Ästethik irgendwann selbst, gleichzeitig erschafft Kaufman dadurch eine Wirkung wie kaum ein Animationsfilm zuvor. Die Bilder suggerieren in jeder Szene eine Künstlichkeit, aber gleichzeitig eine Künstlichkeit mit der wir vertraut sind. Jede Szene wirkt alltäglich designt, aber auch verzerrt, so als ob diese Realität niemals alles sein könnte.
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Ein Genie Streich, die Puppen
Ein Genie Streich, die Puppen mit einem 3D Drucker herzustellen. Charlie Kaufman gewinnt mit jedem neuen und eigenen Film an Konturen. Ich kann ihn nur empfehlen.
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