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F for fake
Di, 06/08/2013 - 20:32

Mindgame, die Irreführung des Zuschauers, der Verzicht auf klassische Erzählformen oder das Spiel mit ihnen ist fast so alt wie das Kino selbst. Das komplexe verunsicherte Erzählen ist mittlerweile bereits im amerikanischen Mainstream Kino oder sogar im Fernsehen angekommen, im europäischen Autorenfilm oder im asiatischen Kino gibt es Mind Game aber schon lange. Unmarkierte subjektive Passagen, episodische mehrsträngige Erzählungen, verschachtelte Geschichten oder Rahmenerzählungen, die wiederum Rahmen und Inhalt vertauschen, gehen bis auf Das Cabinet des Doktor Caligari (1920) zurück. Traditionell lügen Filme den Zuschauer nicht an, wenn sie nicht in virtuellen Welten oder unmöglichen Situationen spielen. Die verschiedenen Versionen ein und desselben Ereignisses in Kurosawas Rashomon, die unchronologische Erzählweise von Welles Citizen Kane oder die mutmasslich fehlende Leiche in Antonionis Blow up sind Vorläufer der Mind Game Movies der 90er. Bergmans Persona bietet mehrere Perspektiven, Hitchcocks Stage fright eine lügende Rückblende, Bunuels Werk konfrontiert das Publikum mit multiplen (vgl. Elsaesser, Thomas: Hollywood heute, Berlin 2009, S. 247f.). Das europäische Autorenkino ist traditionell Mind Game aufgeschlossener, weil die Helden der oft unentschlossen handeln, während amerikanische Filme geradlinige Filmfiguren lieben. In Hollywood experimentierten nur Aussenseiter wie Orson Welles mit verrätselteten Erzählformen, während es seit dem Boom des europäischen Autorenfilms zum guten Ton gehört. Immer schon war Mind Game eine intellektuelle Spielart des Kinos, den Zuschauer zu verunsichern und so mit einzubeziehen. Er war aufgerufen, das zu hinterfragen, was er sieht. Nicht das Versinken im Film, sondern der Abstand zum Gezeigten. Mind Game ist viel mehr als nur das verschachtelte Erzählen, sondern im Grunde ein Kommunizieren mit dem Zuschauer. Es ist nicht die Zukunft des Kinos, keine Ausgeburt der Postmoderne, sondern ein Spiel für das „Kulturpublikum“. - Mindgame, the misleading of the viewer, the renunciation of classical narrative forms or the play with them is almost as old as cinema itself. The complex, insecure narrative has already arrived in American mainstream cinema or even on television, but Mind Game has existed for a long time in European auteur films or Asian cinema. Unmarked subjective passages, episodic multi-strand narratives, nested stories or frame stories, which in turn exchange frames and content, date back to Das Cabinet by Doctor Caligari (1920). Traditionally, films do not lie to the viewer if they do not play in virtual worlds or impossible situations. The different versions of one and the same event in Kurosawa's Rashomon, the unchronological narrative of Welles Citizen Kane or the presumably missing corpse in Antonioni's Blow up are precursors of the mind game movies of the 90s. Bergman's Persona offers several perspectives, Hitchcock's Stage fright a lying flashback, Bunuel's work confronts the audience with multiple perspectives (cf. Elsaesser, Thomas: Hollywood heute, Berlin 2009, p. 247f.). European auteur cinema is traditionally more open-minded about Mind Game, because the heroes of it often act indecisively, while American films love straightforward film characters. In Hollywood, only outsiders like Orson Welles experimented with puzzled narrative forms, while since the boom of the European auteur film it has been part of the good tone. Mind Game has always been an intellectual form of cinema, to unsettle and involve the audience. He was called upon to question what he saw. Not the sinking into the film, but the distance to what is shown. Mind Game is much more than just a nested narrative, but basically a communication with the audience. It is not the future of cinema, not a spawn of postmodernism, but a game for the "cultural audience". 

Filme in der Liste

The exhaming angel – El angel exterminador

The exhaming angel – El angel exterminador

Eine Dinner Party kann den Gastraum nicht verlassen. Weshalb der Film den Titel trägt, kann auch Luis Buñuel nicht erklären.
Spellbound

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Freudianer Hitchcock verfilmt ein Drehbuch von Ben Hecht mit der Traumsequenz von Dali.
Secret beyond the door

Secret beyond the door

Das Motiv der bedrohten Gattin. Noir von Fritz Lang
Rebecca

Rebecca

Das Motiv der hysterischen Frau. Hollywood Debüt von Hitchcock nach dem Roman von Daphne Du Maurier
Rashomon

Rashomon

Die verschiedenen Perspektiven eines Verbrechens. Von Akira Kurosawa
Persona

Persona

Einer der besten Bergman Filme im Spiel mit der offenen Form.
Last year in Marienbad – L'annee derniere a Marienbad

Last year in Marienbad – L'annee derniere a Marienbad

Alain Resnais verfilmt das Drehbuch von Alain Robbe-Grillet. Die Avantgarde der Nouvelle Vague
Hiroshima mon amour

Hiroshima mon amour

In seinem Debüt beeindruckt Resnais durch die Umsetzung des Stücks von Marguerite Duras
Jenseits allen Zweifels – Beyond a reasonable doubt

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Später Film Noir von Fritz Lang
Gefährliche Begegnung – The woman in the window

Gefährliche Begegnung – The woman in the window

Einer der mysteriösesten Film Noir von Fritz Lang
Das Haus der Lady Alquist - Gaslight

Das Haus der Lady Alquist - Gaslight

Ein finsteres Spiel im abgeschotteten Eheleben. Von George Cukor
F wie Fälschung – F for fake

F wie Fälschung – F for fake

Doku von und mit Orson Welles
Experiment perilous

Experiment perilous

Mordverdacht in der Bederaux Familie. von Jacques Tourneur
Ekel - Repulsion

Ekel - Repulsion

Eine junge Frau schottet sich ab von der Welt in ihrem Apartment und verfällt dem Ekel. Von Roman Polanski
Dieses obskure Objekt der Begierde – Cet obscur objet du desir

Dieses obskure Objekt der Begierde – Cet obscur objet du desir

In Luis Buñuels Spätwerk sind nicht alle Ebenen erklärbar.
Die Stunde des Wolfs - Vargtimmen

Die Stunde des Wolfs - Vargtimmen

Ingmar Bergman zeigt einen Familienvater, der von einer seltsamen Schlossgesellschaft vereinnahmt wird.
Die rote Lola – Stage fright

Die rote Lola – Stage fright

Alfred Hitchcock liebt das kriminalistische Spiel mit dem Unerklärlichen.
Der Mieter – Le locataire

Der Mieter – Le locataire

Auch Polanski zeigt uns die Perspektive des Wahnsinnigen.
Der diskrete Charme der Bourgeoisie – Le charme discret de la bourgeoisie

Der diskrete Charme der Bourgeoisie – Le charme discret de la bourgeoisie

Eine Aneinanderreihung von Träumen vom Meister des surrealen Kinos, Luis Buñuel
Das Cabinet des Dr. Caligari

Das Cabinet des Dr. Caligari

Der Wahnsinn durch die Perspektive des Wahnsinnigen. Der expressionistische Grundstein von Robert Wiene.
The phantom of liberty  – Le fantome de la liberte

The phantom of liberty – Le fantome de la liberte

Einer der radikalsten Filme von Luis Buñuel: Frei in der Form, dem Surrealismus so nahe wie sein Frühwerk!
Citizen Kane

Citizen Kane

Orson Welles verfilmt einen Mythos und wählt die offene Form dafür.
Caught

Caught

Die Wahrheit über den Traumggatten. Von Max Ophüls
Blow up

Blow up

Michelangelo Antonionis Spiel um Realität und deren Abbildung.
Bigger than life

Bigger than life

Ein Lehrer wird von einer mysteriösen Droge ergriffen. Von Hollywood Aussenseiter Nicholas Ray

Kommentare

Eure letzten Kommentare
Isa-Fournier
Fr, 19/12/2014 - 10:13

Erste Mindgame Caligari!

Erste Mindgame Caligari!

Filmkunstbar Fitzcarraldo
Fr, 19/12/2014 - 10:25

Stimmt schon. Caligari ist ja

Stimmt schon. Caligari ist ja alles Täuschung, in ihm und auf der Leinwand!

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