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Pierrot le fou
Sa, 07/09/2013 - 19:41

Gegen Ende der 50er Jahre zeichnete sich immer deutlicher die künstlerische Stagnation des "traditionellen" Films ab. Kompromisslose Leute wie Robert Bresson blieben jahrelang ohne Arbeit, Regisseure wie Rene Clement pendelten zwischen Routine und einzelnen individuellen Filmen während sich jungen Talenten kaum eine Chance bot: Entweder wurden sie zum Kommerzialismus abgedrängt wie Roger Vadim oder auf das Gebiet des Kurzfilms wie Alain Resnais. Aussenseiter wie Agnes Varda oder Alexandre Astruc schob man auf ein Abstellgleis. Impulse zur Erneuerung kamen nur aus den Filmzeitschriften und dem Kurzfilm. Aus diesen beiden Quellen sollte sich Ende der 50er aus der Krise der Filmindustrie die neue Welle entwickeln. Gegen die Erstarrung des französischen Films polemisierte seit Jahren die Pariser Zeitschrift Cahiers du Cinema, deren Chefredakteur Andre Bazin zum Nestor der französischen Filmkritik wurde. Er protegierte Bressons "unfilmisches" Verfahren als moderne zeitgemässe Alternative. Den eigentlichen Ton gab der junge Kritiker Francois Truffaut an in seinem Aufsatz Une certaine tendance du cinema francais (1954). Er attackierte festgefahrene Genres und ein Kino, das nur noch der Konfektion huldigte. Stattdessen forderte Truffaut ein Kino der Autoren, in dem sich die Individualität des Regisseurs frei entfalten könnte. Die Theorie der Autoren suchte sich Hitchcock, Renoir, Rossellini, Lang oder Ophüls als Vorbilder. Alle Filme wurden an den Werken ihrer Meister gemessen. Kritik bedeutete aber nur die Vorstufe, selbst zu inszenieren. Die Schulung junger Filmenthusiasten wie Francois Truffaut, Claude Chabrol, Jean-Luc Godard, Jacques Rivette oder Eric Rohmer waren die Filmclubs. 1958 fand Truffaut einen Produzenten für seinen Kurzfilm Les mistons (1958), den er mit Kindern aufnahm. Claude Chabrol finanzierte durch eine Erbschaft Le beau Serge (1959), schliesslich realisierte Truffaut mit Unterstützung seines Schwiegervaters Les quatre cents coups (Sie küssten und sie schlugen ihn, 1959). Alain Resnais drehte Hiroshima mon amour im selben Jahr. Filmemacher wie Truffaut, Chabrol oder Louis Malle arbeiteten billig und besassen Ideen, schnell fand ein Journalist das Schlagwort Nouvelle Vague und man erblickte in den Filmen der Jungen das Potential für einen Aufschwung. Truffaut und Chabrol bezahlten mit ihren Überschüssen die Arbeiten ihrer Freunde der Cahiers Eric Rohmer, Jacques Doniol-Valcroze, Jean-Luc Godard sowie Jacques Rivette. Das Phänomen der neuen Welle war nun wirklich geboren. Zwischen 1959 und 1960 debütierten 67 Regisseure! Eingeleitet wurde alles durch Le beau Serge von Chabrol. Les cousins und Les bonnes femmes waren weitere frühe Filme Chabrols, die heute nahezu unbekannt sind. Truffaut hatte immer dafür plädiert, dass Film nur die persönlichsten Erfahrungen umsetzen sollte und verwirklichte das mit Les quatre cent coups konsequent. Truffaut ist Antoine Doinel, deutlich an den Details des Films abzulesen. Jean-Luc Godard, geborener Schweizer, drehte einige Kurzfilme (Tous les garcons s´appellent Patrick, Charlotte et son Jules, Une histoire d´eau), die seinen späteren Stil vorwegnahmen. In seinem ersten Spielfilm A bout de souffle (Aausser Atem, 1960) spielt Jean-Paul Belmondo einen Gangster, der einen Polizisten ermordet hat, gesucht wird und doch immerzu nur an sein Mädchen denkt. Literarischer waren zwei andere Regisseure der Nouvelle Vague, Jacques Rivette und Eric Rohmer. In Rivettes Paris nous appatient geht ein Mädchen dem Tod eines spanischen Flüchtlings nach und in Rohmers Le signe du lion (Das Zeichen des Löwen) wird ein grausames und ungastliches Paris vorgeführt. Beide Filme waren Misserfolge, beide Regisseure sollten sich erst später etablieren. Aus dem Bereich des Kurzfilms kamen Alain Resnais, Chris Marker und Georges Franju, während Agnes Varda als Vorläuferin der neuen Welle gelten kann. Ihr erster Langfilm Cleo de 5 a 7 (1962) folgte einer Anzahl von Kurzfilmen und beobachtet die Pariser Rue Mouffetard mit den Augen einer schwangeren Frau. Chris Markers La jetee könnte man einen utopischen Foto Roman nennen, denn er besteht fast ausschliesslich aus statischen Einzelbildern. Resnais Thema ist das des Vergessens und Erinnerns, besonders scharf formuliert in L´annee derniere a Marienbad (1961). Die Gruppe Resnais-Marker-Varda wurde als die "Rive gauche" der Nouvelle Vague bezeichnet. Jacques Demy hatte einige Kurzfilme produziert ehe er mit Lola (1960) seinen Erstling präsentierte. Bewusst bediente er Klischees, um daraus ein ganz eigenes poetisches Gebilde zu erschaffen: Lola. Das Irreale, Märchenhafte dominiert auch in Les parapluies de Cherbourg (1964), in dem jedes Wort gesungen wird. Den altmodischen Weg über die Regieassistenz wählten dagegen Louis Malle und Philippe de Broca. Malles Ascenseur pour l´echafaud (Fahrstuhl zum Schafott, 1957) entsprang der Tradition von Rififi oder Bob le flambeur. In Les amants benutzte er die traditionelle Form der Dreiecksgeschichte, um diese doch aufzuheben. Der Schluss gleicht dabei fast einer Reportage. Philippe de Broca begann als Assistent von Godard und Truffaut und schuf moderne Abenteuerfilme wie Cartouche (1961) mit ungewöhnlicher Melodramatik. Jean Rouch dagegen war Ethnologe und seine Filme nach dem Vorbild Dsiga Wertows erhielten das Label Cinema Verite. In Chronique d´un ete (1961) merkt man das Bestreben, die filmische Illusion aufzuheben und den Zuschauer beim Entstehungsprozess des Films beiwohnen zu lassen. (vgl. Gregor/Patalas: Geschichte des modernen Films, Gütersloh 1965, S. 257f.). Langsam fertigten die ehemaligen Nouvelle Vague Autoren Werke an, die dem herkömmlichen Film immer ähnlicher wurden. Im Mai 1968 aber erschütterten Studenten Unruhen Paris - was die Filmemacher stark beeinflusste. Die Filmfestspiele von Cannes mussten abgebrochen werden, Godard zog sich über Jahre aus dem kommerziellen Film zurück. Eric Rohmer aber begann seine Karriere erst so richtig mit La collectionneuse (Die Sammlerin, 1966) und Ma nuit chez Maud (Meine Nacht bei Maud, 1969), Truffaut untersuchte das bürgerliche Eheglück in seiner Antoine Doinel Reihe (Tisch und Bett - Domicile conjugal) und Chabrol fertigte Kriminalfilme. Fast unbeachtet entwickelte sich in Frankreich ein Genre Kino mit den Filmen von Claude Sautet (Classe tous risques, 1960) und Jean Pierre Melville (Le samourai, 1967) mit Schauspielern wie Lino Ventura und Alain Delon. Eine rundherum gesunde Filmindustrie mit einer Anzahl von "Auteurs" sowie einem soliden Fundament war in nur 10 Jahren geschaffen worden. - Towards the end of the 50's the artistic stagnation of the "traditional" film became more and more obvious. Uncompromising people like Robert Bresson remained without work for years, directors like Rene Clement oscillated between routine and individual films, while young talents hardly had a chance: either they were pushed into commercialism like Roger Vadim or into the field of short film like Alain Resnais. Outsiders like Agnes Varda or Alexandre Astruc were pushed onto a siding. Impulses for renewal came only from the film magazines and the short film. From these two sources the new wave should develop from the crisis of the film industry at the end of the 50s. For years the Parisian magazine Cahiers du Cinema polemicized against the numbness of the French film industry. Its editor Andre Bazin became the nestor of French film criticism. He protected Bresson's "unfilmic" method as a modern contemporary alternative. The young critic Francois Truffaut set the tone in his essay Une certaine tendance du cinema francais (1954). He attacked deadlocked genres and a cinema that only paid homage to ready-made clothing. Instead, Truffaut called for a writer's cinema in which the director's individuality could unfold freely. Hitchcock, Renoir, Rossellini, Lang and Ophüls were the role models for the authors' theory. All films were judged by the works of their masters. Criticism, however, only meant the preliminary stage of staging oneself. The training of young film enthusiasts like Francois Truffaut, Claude Chabrol, Jean-Luc Godard, Jacques Rivette or Eric Rohmer were the film clubs. In 1958 Truffaut found a producer for his short film Les mistons (1958), which he recorded with children. Claude Chabrol financed Le beau Serge (1959) through an inheritance, finally Truffaut realized coups with the support of his father-in-law Les quatre cents (They kissed and they beat him, 1959). Alain Resnais shot Hiroshima mon amour in the same year. Filmmakers like Truffaut, Chabrol or Louis Malle worked cheaply and had ideas, soon a journalist found the catchword Nouvelle Vague and one saw the potential for an upswing in the films of the boys. Truffaut and Chabrol paid with their surpluses for the works of their friends Cahiers Eric Rohmer, Jacques Doniol-Valcroze, Jean-Luc Godard and Jacques Rivette. The phenomenon of the new wave was now really born. Between 1959 and 1960, 67 directors made their debut! Everything was introduced by Le beau Serge of Chabrol. Les cousins and Les bonnes femmes were other early films by Chabrol that are almost unknown today. Truffaut had always advocated that film should only implement the most personal experiences and realised this consistently with Les quatre cent coups. Truffaut is Antoine Doinel, clearly visible in the details of the film. Jean-Luc Godard, born in Switzerland, made some short films (Tous les garcons s´appellent Patrick, Charlotte et son Jules, Une histoire d´eau) that anticipated his later style. In his first feature film A bout de souffle (Aausser Atem, 1960), Jean-Paul Belmondo plays a gangster who murdered a policeman, is wanted and yet thinks only of his girl. More literary were two other directors of the Nouvelle Vague, Jacques Rivette and Eric Rohmer. In Rivette's Paris nous appatient a girl follows the death of a Spanish refugee and in Rohmer's Le signe du lion a cruel and inhospitable Paris is shown. Both films were failures, both directors were to establish themselves later. Alain Resnais, Chris Marker and Georges Franju came from the field of short films, while Agnes Varda can be regarded as the forerunner of the new wave. Her first feature-length film Cleo de 5 a 7 (1962) followed a number of short films and observes Rue Mouffetard in Paris with the eyes of a pregnant woman. Chris Marker's La jetee could be called a utopian photo novel because it consists almost exclusively of static single images. Resnai's theme is that of forgetting and remembering, particularly sharply formulated in L´annee derniere a Marienbad (1961). The group Resnais-Marker-Varda was called the "Rive gauche" of the Nouvelle Vague. Jacques Demy had produced several short films before he presented his first film Lola (1960). He deliberately used clichés to create his very own poetic structure: Lola. The unreal, the fairytale also dominates in Les parapluies de Cherbourg (1964), in which every word is sung. Louis Malle and Philippe de Broca, on the other hand, chose the old-fashioned way of assistant directing. Malles Ascenseur pour l´echafaud (Elevator to the scaffold, 1957) originated in the tradition of Rififi or Bob le flambeur. In Les amants, he used the traditional form of triangular history to create this

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Kommentare

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Isa-Fournier
Fr, 19/12/2014 - 10:11

Gute Wahl!

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Filmkunstbar Fitzcarraldo
Fr, 19/12/2014 - 10:24

Danke! Nouvelle Vague plus X!

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