„Trotz ihrer Bilder haben wir, ausgehend von dem, was ausserhalb der Schussweite ihres Blicks lag, versucht, andere Bilder hervorzuheben, Fetzen einer verachteten Alltäglichkeit“, so die algerische Filmemacherin Assia Djebar. Ihre Beschreibung liest sich wie die Zusammenfassung des arabischen Films. Das Schöne daran, Filme zu sehen, die nicht der westlichen Kultur entstammen, ist die Lust an einer Entdeckungsreise. Das soll nicht als Ersatzurlaub auf der Mattscheibe verstanden werden, sondern als Entdeckung einer ganz anderen Form von Film. Arabische Filme lösen sich gerne von den dramaturgischen Gesetzen westlicher Produktionen, die Einzelteile ihrer Geschichten sind zusammen gesetzt wie ein Mosaik, ganz so wie es üblich ist in orientalischen Erzählungen. Die Filme sind nicht selten von subversiver und unbändiger Kraft, die Bilder stilistisch unkonventionell gegenüber allem, was man kennt. Arabische Filme lassen sich nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen, genauso wenig wie das grosse Vorbild der ägyptischen Filme. Orientalische und okzidentale Elemente fliessen ineinander, die Werke sind innovativ und manchmal radikal. Die Filme werden privat oder in Co-Produktion mit dem Ausland finanziert und entkommen so der allgegenwärtigen Zensur. Trotzdem sind sie technisch und ästhetisch sehr versiert, oft bestechend durch die handwerkliche Perfektion. Der arabische Autorenfilm ist im besten Fall dicht erzählt, obwohl er mit langen Kamerafahrten und einem ebenso langsamen Rhythmus arbeitet. Sicherheiten vermiedet er, Andeutungen gibt er preis, vieles ist metaphorisch und spielerisch (vgl. epd 11/97, S. 29f.). Es scheint, als sei gerade die Schwierigkeit, einen Film herzustellen, die grösste Qualität des arabischen Kinos, denn im Nahen Osten hat das Filmschaffen drei übermächtige Gegner: Das ägyptische Kino, Bombay und Hollywood. Hinzu kommt die Bilderfeindlichkeit des Islam, der in Moscheen beispielsweise keine figürliche, sondern nur dekorative Darstellung zulässt. Während das Abendland von der kirchlich christlichen Ikonographie geprägt ist, gibt es in der islamischen Welt keine vergleichbare Bildtradition. In Saudi Arabien und den Golfstaaten ist praktisch keine Kinofilmproduktion existent, so begegnet man im Kino nur Filmen aus dem Irak, Syrien, Kuweit, dem Libanon, Jordanien oder Palästina. Das, was in der filmischen Korrespondenz auf Festivals möglich ist, scheint im Leben ausgeschlossen. Die Politik dominiert das Filmschaffen, im Grunde ist es ein kleines Wunder, wenn überhaupt Filme aus dem Libanon oder derzeit Syrien kommen. Das Kino der Palästinenser ist immer noch weitgehend Exilkino, obschon es einige der schönsten Filme aus der Region hervorbrachte. Nur zwei Staaten brachten eine kontinuierliche Filmproduktion heraus, Syrien und der Irak. In diesen Filmen sieht man den Einfluss des italienischen Neo Realismus, sie sind poetisch und bildgewaltig mit geringen Mitteln. Der syrische Film hatte seine Blütezeit Anfang der 70er, wo relativ unbürokratisch Debütfilme hergestellt werden konnten. Es entstand ein phantasievolles und humorvolles Fabelkino, welches die gesamte Region bis heute beeinflusst. Die materielle Basis dafür ist in Syrien aber seit langem rückläufig und letztlich katastrophal. Wenige neuere Produktionen grenzen sich stark vom Islamismus und auch vor westlich- amerikanischen Einflüssen ab. Die in Syrien und anderen arabischen Staaten vorherrschende Tendenz, Eigenständigkeit und Unabhängigkeit zu betonen, sieht man in den Kinofilmen (vgl. epd 3/2000, S. 26f.). Viele arabische Filme kann man als Vorboten des arabischen Frühlings sehen, der dadurch weniger überraschend wirkt. Wut ist schon seit längerem die gemeinsame Filmsprache einer ganzen Region. Es ist erstaunlich, in welchem Masse Film die Hoffnungen der Revolution vorhergesagt hat. In Ägypten war die Filmcommunity besonders involviert auf dem Tahrir-Platz und gehört auch jetzt zur Protestbewegung der nachrevolutionären Ära. Tunesische Filme behandeln die Probleme des Landes seit langem. Im tunesischen Film gibt es seit Jahren kaum eine Figur, die sich nicht verzweifelt danach sehnt, dem chancenlosen Leben zu entkommen. In Syrien bleibt vor allem der packende The long night in Erinnerung über einen politischen Häftling, der, aus der Haft entlassen, auf dem Weg nach Hause stirbt. Trotzdem zeichnet sich nach der langen Nacht die Morgendämmerung ab, wie sich die gesamte arabische Welt aus ihrem Zustand der Lähmung befreit. - "In spite of her images, starting from what was outside the range of her gaze, we tried to emphasize other images, shreds of a despised everyday life," says Algerian filmmaker Assia Djebar. Her description reads like the summary of the Arabic film. The beauty of seeing films that do not stem from Western culture is the desire to embark on a voyage of discovery. This is not to be understood as a substitute vacation on the screen, but as a discovery of a completely different form of film. Arab films like to break away from the dramaturgical laws of Western productions, the individual parts of their stories are put together like a mosaic, just as it is usual in oriental narratives. The films are often of subversive and irrepressible power, the images are stylistically unconventional compared to everything one knows. Arabic films cannot be reduced to a common denominator, just like the great model of Egyptian films. Oriental and occidental elements flow into each other, the works are innovative and sometimes radical. The films are financed privately or in co-production with foreign countries and thus escape the omnipresent censorship. Nevertheless, they are technically and aesthetically very well versed, often captivating due to the perfection of their craftsmanship. The Arabic auteur film is at best densely narrated, although it works with long camera movements and an equally slow rhythm. He avoids certainties, he reveals hints, much is metaphorical and playful (cf. epd 11/97, p. 29f.). It seems as if the difficulty of making a film is the greatest quality of Arab cinema, for in the Middle East film-making has three overpowering opponents: Egyptian cinema, Bombay and Hollywood. Added to this is Islam's hostility to images, which in mosques, for example, allows only decorative representation rather than figurative representation. While the Occident is characterized by ecclesiastical Christian iconography, there is no comparable pictorial tradition in the Islamic world. In Saudi Arabia and the Gulf States there is practically no cinema film production, so in the cinema one only encounters films from Iraq, Syria, Kuwait, Lebanon, Jordan or Palestine. What is possible in filmic correspondence at festivals seems impossible in life. Politics dominates filmmaking, it is basically a small miracle if any films come from Lebanon or currently Syria. Palestinian cinema is still largely an exile cinema, although it has produced some of the most beautiful films in the region. Only two states released a continuous film production, Syria and Iraq. In these films one sees the influence of Italian neo-realism, they are poetic and powerful with little means. The Syrian film had its heyday at the beginning of the 70s, where relatively unbureaucratic debut films could be produced. The result was an imaginative and humorous fable cinema that has influenced the entire region to this day. However, the material basis for this in Syria has long been declining and ultimately catastrophic. Few newer productions distinguish themselves strongly from Islamism and also from Western-American influences. The tendency prevailing in Syria and other Arab states to emphasize autonomy and independence can be seen in the feature films (cf. epd 3/2000, p. 26f.). Many Arab films can be seen as harbingers of Arab spring, which is less surprising. Anger has long been the common film language of an entire region. It is astonishing to what extent film predicted the hopes of the revolution. In Egypt, the film community was particularly involved in Tahrir Square and is now part of the post-revolutionary protest movement. Tunisian films have been dealing with the country's problems for a long time. For years there has hardly been a character in Tunisian film who does not desperately yearn to escape from the hopeless life. In Syria, it is above all the gripping The Long Night that is remembered about a political prisoner who, released from prison, dies on his way home. Nevertheless, after the long night, the dawn of dawn is beginning to show how the entire Arab world is liberating itself from its state of paralysis.
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